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Hockey

75 Jahre Hockey im MRV

Chronik der Abteilung

von Bodo Roth

Seit dem Herbst 1926 wird, abgesehen von einer Unterbrechung in den Jahren 1973/1974, im Mainzer Ruder-Verein (MRV) Hockey gespielt. Was zunächst als Ausgleichssport für Rennruderer im Herbst und Winter gedacht war (in den benachbarten Rüsselsheimer und Offenbacher Rudervereinen entstanden in dieser Zeit ebenfalls Hockey-Abteilungen), sollte sich im Laufe der Jahre und Jahrzehnte trotz mancher Schwierigkeiten und Widerstände aus den eigenen Reihen im MRV zu einer festen Größe entwickeln. Es waren insbesondere erfolgreiche Rennruderer der frühen Jahre, die den Hockeysport im MRV vorantrieben. Gespielt wurde zunächst auf dem Sportplatz der Radrennbahn am Gautor.

Bereits im Frühjahr 1927 wurde der MRV nach einem erfolgreichen Aufnahmespiel gegen den Mainzer TV 1817 als Mitglied in den Deutschen Hockeybund (DHB) aufgenommen. Das Spiel ging zwar mit 7:1 verloren, aber der MRV war damit gemäß Statuten des DHBs unbeschränkt spielberechtigt geworden. Die MRV-Mannschaft der ersten Stunde bestand aus den Herren Dr. G. Eisel, J. Racké, K. Rindt, H. Rohde, J. Minthe, H. Stöhr, H. Neukam, G. Gerster, H. Funk und K. Ott. Hanns Funk auf „halblinks“ schoss für den MRV das erste Tor. Dank einer idealistischen Einstellung verbunden mit persönlichem  finanziellem Engagement der einzelnen Mitglieder entwickelte sich die Hockey-Abteilung stetig aufwärts. Die Spiele wurden zahlreicher –Spielvereinbarungen wurden damals noch an der sogenannten „Hockey-Börse“ ausgehandelt –, und die Erfolge blieben schließlich nicht aus. Neue Interessenten gesellten sich hinzu, sodass schon im Jahr 1928 eine zweite Mannschaft aufgestellt wurde. 1929 kam auf die Hockey-Abteilung erstmals ein Spielplatzproblem zu. Das gesamte Sportgelände der Mainzer Radrennbahn wurde abgerissen und war damit für den Mainzer Sport verloren. Dafür entstand Am Bruchweg eine städtische Sportanlage u. a. mit einem Hockeyplatz, der ab Dezember 1929 der Hockey-Abteilung des MRVs zur Verfügung gestellt wurde. Die folgenden Jahre waren gekennzeichnet von einer permanenten Weiterentwicklung, insbesondere im Bereich Schüler und Jugend mit einer zunehmenden Intensivierung des Spiel- und Wettkampfbetriebs. 1932 nahm der MRV erstmals in Bad Kreuznach an einem Oster-Hockeyturnier teil und man lernte neue Hockeyfreunde kennen. Einladungen führten den MRV in der Folge u. a. nach West- und Süddeutschland. Zwischen 1933 und 1938 wuchs die Hockey-Abteilung auf fast 70 aktive Mitglieder, mit drei etatmäßigen Herren und einer Damenmannschaft sowie zwei Jugendmannschaften.

Zu den bemerkenswerten Ereignissen des Jahres 1938 gehörten die Durchführung eines internationalen Jugend-Hockeyturniers auf Initiative von Bernhard Bossmann sowie der Aufstieg der 1. Herrenmannschaft (2:1 gegen den SC 1880 Frankfurt) in die Gauliga Südwest, die damals höchste deutsche Spielklasse. Allerdings warfen bereits in der Saison 1938/1939 die politischen Ereignisse und Kriegsvorbereitungen ihre langen Schatten. Einziehungen zu Reichsarbeitsdienst und Wehrmacht rissen empfindliche Lücken in die Mannschaften. Der MRV musste in der Gauliga Südwest die Meisterschaftsspiele ersatzgeschwächt bestreiten, ehe im Sommer 1939 der Krieg dem Sport endgültig ein Ende machte.

1946 wurde der MRV als sporttreibender Verein neu zugelassen und nahm auch das Hockeyspiel wieder auf. Dabei wurde mancher gute Spieler und Hockeykamerad schmerzlich vermisst. Bereits 1947 gelang die Aufstellung von zwei Herrenmannschaften, denen 1948/1949 Schüler-, Jugend- und Damenmannschaften folgten. Bald waren sechs Mannschaften aktiv. Parallel dazu ergab sich ein neues Spielplatzproblem. Die Sportanlage Am Bruchweg wurde unter Wegfall des Hockeyplatzes zu einem Fußballstadion umgebaut. Also wechselte man auf das Gelände des katholischen Jugendwerks. Mit viel Begeisterung und Eigeninitiative richteten die Aktiven den zur Verfügung gestellten Platz zu einem brauchbaren Hockeyfeld her. Nach der Gründung des Hockeyverbandes Rheinland-Pfalz im Jahr 1949 gelang auf Anhieb der Sprung in die 1. Hockeyklasse des Landes.

Die 1. Herrenmannschaft des MRVs spielte in der Rheinland-Liga viele Jahre lang eine sehr gute Rolle. Meist landete der MRV in der Tabelle als „ewiger“ Zweiter hinter dem Erzrivalen Kreuznacher Hockeyclub. Neben den Punktspielen pflegte man auch den Freundschaftsspielbetrieb mit Hingabe. Ab den 50er-Jahren unternahmen die Aktiven zunehmend Spielreisen, gerne zu den beliebten Oster-Hockeyturnieren. Es gab beachtliche Erfolge, insbesondere auch gegen starke west- und norddeutsche Konkurrenz. Im Jahr 1950 beteiligte sich der MRV in Wiesbaden erstmals an einem Hallenhockeyturnier. Der Sieger: Mainzer Ruder-Verein. 1953 erreichte den MRV eine Einladung zum Internationalen Freundschaftshockeyturnier in Zürich.

Im gleichen Jahr wurde Josef (Seppel) Deforth, der Stammtorwart der 1. Herrenmannschaft, zum Torwart der deutschen Hockey-Nationalmannschaft für das Länderspiel gegen Frankreich berufen (1:0 für Deutschland im Südwest-Stadion in Ludwigshafen). Darüber hinaus zeichnete sich der MRV von 1947 bis hinein in die 60er-Jahre fast jährlich durch Abstellungen mehrere Spieler zu den Repräsentativspielen der deutschen Landesverbände um den Hockey-Silberschild für die Verbandsmannschaft Rheinland-Pfalz aus. Zum Einsatz kamen dabei die Spieler Dr. J. Günther, G. Schwarz, J. Deforth, P. Sieben, H. B. Dickmann, H. und J. Minthe.

Ab 1955 stand wieder das leidige Platzproblem auf der Tagesordnung. Auf dem Gelände des katholischen Jugendwerks konnte nicht mehr gespielt werden. Als Ersatz und verbunden mit der Hoffnung auf eine nunmehr dauerhafte Lösung bezog man den neuen Hockeyhartplatz in unmittelbarer Nähe des MRV-Bootshauses. Die Einweihung des neuen Platzes wurde am 22.04.1956 mit einem Freundschaftsspiel gegen den Mainzer Hockey Club gefeiert.

Bei den Hockey-Damen des MRVs verlief es dagegen nicht wie erhofft.Das Interesse am Hockeysport ließ zusehends nach, sodass der Spielbetrieb Ende der fünfziger Jahre eingestellt wurde. Dafür etablierte sich ab 1956 eine Senioren-Hockeymannschaft, die es bis heute gibt. Hier waren und sind ehemalige aktive Spieler noch immer mit besonderem Engagement bei der Sache – auch in der Pflege der Geselligkeit.

Im Jahr 1959 feierte die Hockey-Abteilung des MRVs ihre größten sportlichen Erfolge. Die 1. Herrenmannschaft wurde Rheinland-Pfalz-Meister und nahm an den Spielen um die Deutsche Hockeymeisterschaft teil. Nach einem 1:0-Sieg auf dem Rasenplatz der Uni Mainz über den HC Bremen-Delmenhorst befand man sich unter den besten acht deutschen Hockeyteams und scheiterte erst im Viertelfinale mit 1:4 am späteren Deutschen Meister, dem Hockey Club SC Brandenburg. Um die Rheinland-Pfalz-Meisterschaft spielten: H.B. Dickmann, W. Fey, E. Zickwolf, H. Frick, G. Hufenüssler, R. Sieben, Dr. J. Günther, J. Deforth, H. J. Bossmann, H. Minthe, J. Minthe und Dr. Chr. Haferkamp.

In den 60er-Jahren beteiligte sich der MRV mit allen Mannschaften an Punkt- und Meisterschaftsspielen und erwarb im Herrenhockey ein Abonnement als Rheinhessen-Meister – sozusagen. Seinerzeit kam Hallenhockey auf und auch in der Abteilung gut an. 1963 besuchte der MRV erstmals das Internationale Hockeyturnier im englischen Ramsgate. 170 Herren- und Damenmannschaften spielten auf rund 20 Rasenplätzen.

Zum Ende des Jahrzehnts gab es in Folge der Neustrukturierung der Liga-Klassen wieder Probleme mit dem Hockeyplatz. Der Verband forderte für die neu geschaffene Spielklasse (entsprechend der heutigen 1. Bundesliga Herren), für die sich die 1. Herrenmannschaft des MRVs sportlich qualifiziert hatte,  einen Rasenplatz. Also musste man provisorisch auf das Alzeyer Volker-Stadion oder auf den Fußballrasen des Bruchweg-Stadions ausweichen. Das konnte auf längere Sicht nicht gut gehen. Umso höher ist deshalb die Vizemeisterschaft der 1. Herrenmannschaft in der Hockey-Oberliga Rheinland-Pfalz/Saar im Jahr 1967 zu bewerten.

Der Sprung in die neu gegründete Hockey-Bundesliga gelang aber nicht mehr. Trotz oder gerade wegen der Platzprobleme ruhte die Hoffnung der Hockey-Abteilung zu Beginn der 70er-Jahre auf dem vielversprechenden Nachwuchs. Es gelang das Aufstellen einer Knaben und einer Jugendmannschaft, die sowohl auf dem Feld als auch in der Halle hervorragende Ergebnisse lieferten. Der MRV-Nachwuchs holte 1971 die Vizemeisterschaft im Verbandsbereich Rheinland-Pfalz/Saar, wobei sich bereits damals das Talent des späteren Rekordnationaltorhüters Dr. Tobias Frank (113 Länderspiele) abzeichnete. Alle Bemühungen, den Hockeyplatz des MRVs – Schauplatz vieler ruhmreicher Hockeykämpfe – als Hartplatz am Winterhafen zu erhalten, blieben vergeblich. Im Jahr 1973 musste der Punktspielbetrieb eingestellt werden. Zudem gab es immer weniger Freundschaftsspiele, weil die Gegner es wegen der damit verbundenen Verletzungsgefahr ablehnten, auf dem nicht mehr zeitgemäßen Platz zu spielen. Die Folge: Potenzieller Nachwuchs orientierte sich anderweitig und so wurde dem Verein die Basis für die Zukunft entzogen. 1974 kam der Spielbetrieb vollends zum Erliegen. Nach fast 50 Jahren erfolgreichen Hockeysports schien dies das Ende zu sein.

Aber schon im Frühjahr 1975 fand sich ein Stamm von Senioren zusammen, angetreten mit dem Ziel, im Rahmen von Freundschaftsbegegnungen wieder Hockey zu spielen. Neue Heimat für die Heimspiele wurde der Rasenplatz der Bezirkssportanlage in Mainz-Bretzenheim, der die Stadt Mainz freundlicherweise zur Verfügung stellte. Seit 26 Jahren wird also im MRV wieder aktiv Hockey gespielt, ohne allerdings jemals wieder an Punktspielen teilgenommen zu haben. An die Stelle „großer Hockeyschlachten“ sind regelmäßige Spielvereinbarungen mit befreundeten Vereinen getreten, die bis heute den Spaß und die Freude am Hockeysport aufrechterhalten haben. Hinzu kamen Reisen zu Turnieren ins In- und Ausland, beispielsweise 1984 Südafrika, 1986 Mexiko, 1988 China und Hongkong, 1990 Malaysia und dazu „kleine Reisen“ nach Zypern und Jersey. Darüber hinaus beteiligte sich der MRV zusammen mit befreundeten Hockeyspielern aus Wiesbaden und Mannheim über mehr als zwanzig Jahre am Internationalen Hockey Turnier in La Baule (Frankreich).

Gespielt wird heute gemeinsam mit den Hockeysenioren des TSV Schott auf deren Kunstrasen in der Seniorenspielgemeinschaft „Schoppestecher“. Auf diese Weise ist das letzte Häuflein MRV-Hockey-Veteranen noch aktiv. Es ist absehbar, dass die MRV-Hockey-Ära definitiv vorbei ist, wenn diese letzten Mohikaner eines Tages den Schläger in die Ecke stellen. Wann das allerdings sein wird, das steht derzeit noch in den Sternen.

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