Stellungnahme des Vorstands des Mainzer Ruder-Vereins
Stellungnahme des Vorstands des Mainzer Ruder-Vereins
zu „Bundestrainer rechnet mit Rudervereinen ab“ (sportbuzzer.de / Jens Kürbis, Lübecker Nachrichten; 30.7.2021):
Wir haben großen Respekt vor Ralf Holtmeyers Erfolgen und seiner Trainerleistung und schätzen ihn sehr.
Umso mehr irritiert uns seine Vereinsschelte als Analyse zu den mageren Erfolgen in Tokio. Seine Aussagen zu rückständiger Denke („wie vor 100 Jahren“) und eigenbrötlerischem Verhalten („bei uns wird diskutiert, dass Boote Vereine entwickeln sollen“) ist unangemessen und substanzlos.
Ralf Holtmeyer: „Im Mainzer Bootshaus hängt ein Bild vom EM-Erfolg von 1913“.
JA und das ist gut so, weil wir stolz sind auf unsere Tradition als leistungssporttreibender Verein und auf unsere erfolgreichen Athleten:innen von 1913 bis Tokio 2020/2021. Diese präsentieren diese in unserem Bootshaus-Foyer.
Ralf Holtmeyer: „Aber kann man auf dem Rhein rudern?“
Auch dazu sagen wir JA! Nicht nur Jason Osborne als aktueller Silbermedaillen-Gewinner hat dies jahrelang getan, auch Olympiateilnehmer und Weltmeister:innen wie Martin Steffes-Mies, Sebastian Schmidt, Clara Karches, Lea-Katlen Krömer, Moritz Moos, Bernhard Rühling und Ingo Euler haben am Rhein das Rudern erlernt bzw. haben hier trainiert. Bezugnehmend auf die aktuellen Wasserverhältnisse in Tokio wäre es sicherlich durchaus von Vorteil gewesen, gelegentlich mit Wind, Wellen und Strömung trainiert zu haben.
Auch einer Zentralisierung der Großboote, Achter, Vierer, steht der MRV nicht im Wege. Mit Sebastian Schmidt und Martin Steffes-Mies sind u.a. hervorragende Athleten nach Dortmund zum zentralen Achterstützpunkt gegangen.
Eine Zentralisierung von Zweierpaaren oder Einer-Ruderer:innen an Bundesstützpunkten sehen wir nicht als zwingend erforderlich. Hier überwiegen oftmals die Vorteile einer engen Verbindung zum Heimtrainer und ein gewachsenes Umfeld von sozialen Kontakten und Ausbildungsplanung.
Ralf Holtmeyer: „Traineroffensive im deutschen Sport“:
Seit Jahrzehnten geben wir mit Diethelm Maxrath, Robert und Catriona Sens, Anna-Maria Götz, Marie Gerhardt und aktuell Felix Drahotta eigenen und externen jungen Trainer:innen mit großem Erfolg die Chance, sich im MRV zu entwickeln und neue Konzepte auszuprobieren.
-1-
All dies zeugt nicht von einer Denke wie vor 100 Jahren!
Die Frage muss erlaubt sein, warum trotz mehr als 10 hauptamtlichen Bundestrainer nur 50% der Bootsklassen in Tokio an den Start gebracht werden konnten.
Vielmehr als die Vereine ist hier das DRV-Management gefragt, Trainerstukturen und Inhalte der Trainerausbildung zu hinterfragen, ob diese z.B. Freiheiten für Experimente zulassen, eine konstruktive Fehlerkultur besteht und internationale Entwicklungen der Trainingssteuerung ausreichend berücksichtigt werden.
Zudem zeigt die deutlich bessere Mediallenausbeute olympischer Bootsklassen bei Junioren:innen und U23-Weltmeisterschaften sowie die starken Starterfelder bei Junioren:innen-Meisterschaften, dass der Kern der Probleme nicht im Nachwuchsbereich liegt.
Hier leisten Vereine und Schulruderzentren hervorragende Arbeit für den DRV. Was fehlt, sind professionelle Strukturen nach der U19, die es attraktiv machen für junge Sportler:innen, ihre Ruderkarriere parallel zu Studium oder Berufsausbildung fortzusetzen und dies auch in Deutschland zu tun.
Der Ansatz Ralf Holtmeyers, die Ursache für fehlende Goldmedaillen in den Vereinen zu suchen, ist aus unserer Sicht viel zu kurz gedacht und wirkt wie ein Versuch, die Verantwortung für das Scheitern des DRV bei den olympischen Spielen auf die Vereine abzuwälzen. Verantwortlich dafür ist ausschließlich das Leistungssport-Management des DRV. Hier liegt die Verantwortung für Konzepte, Strukturen und Inhalte.